Hallo Anrückmelder
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Original von Anrückmelder
In der Simulation haben (...) teilweise oder ganz "automatischen Zuglenkbetrieb" oder so ähnlich, d. h. der Zug findet seinen Weg aufgrund seiner Richtungsnummer von allein. Nämlich: WAS PASSIERT IN DER REALITÄT?
Ich versuche mal, als nicht LST'ler der Frage auf den Grund zu gehen. Du hast völlig recht, dass es in der Simulation einen Zuglenkbetrieb gibt, der abhängig von der Lenkziffer des Zuges den Fahrweg selbst einstellt. Das System ist nicht neu. Der Selbststellbetrieb (SB) ist bereits den den Drucktastenstellwerken der Bauart SpDrS/L 60 vorhanden (die stammen aus den 60er Jahren!). Vom Prinzip her befährt der Zug einen Kontakt und löst dadurch die Fahrstraßeneinstellung aus.
Bei neueren Bauarten (ich bin mir jetzt garnicht sicher, ob es auch 60er-Stw gibt mit Zuglenkung) wurde diese Funktionalität erweitert um die Zuglenkung (ZL). Das bedeutet nochmal beschrieben, dass der max. 5stelligen Zugnummer eine Lenkziffer vorangestellt wird, die dem Stellwerk mitteilt, wohin der Zug möchte (soll). Das Funktionsprinzip der ZL gleicht dem des SB, nur dass halt die über die Zugnummernmeldeanlage eingegebene Lenkziffer ausgewertet und die Fahrstraßeneinstellung von dieser abhängig ist.
Das Stw Fulda (SpDrS 600 - IB 1985) verfügt über Zuglenkung z.B.
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Original von Anrückmelder
Ich hatte mal im Netz gelesen, daß die Züge in Puttgarden auch so etwas wie eine Zuglenkziffer erhalten. Es soll sich dabei um einen Buchstaben (...) handeln. (...) Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, dann hatten die verschiedenen Buchstaben damit zu tun, ob die Fahrstraße über den Hausbahnsteig einlaufen soll oder über das Durchfahrgleis.
Um meine Frage noch etwas zu spezifizieren: Hat der Fdl Pzf "nur" die Aufgabe der Überwachung des Zugbetriebes zu führen, oder müssen einige (oder alle) Fahrstraßen manuell festgelegt werden?
Es kann durchaus sein, dass es in Pzf eine Sonderbauform gibt, dazu kann ich nichts sagen. Du hast aber Recht, wenn Du sagst, dass der Fdl durchaus "nur" überwachende Aufgaben hat.
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Original von Anrückmelder
Bei einem eventuellen Selbsteuerbetrieb würde mich mal interessieren, wie dieser funktioniert, und auch wann die Fahrstraßen festgelegt und die Signale auf Fahrt gestellt werden. Ist dieses zeitlich mit der Simulation zu vergleichen (Zug befindet sich in ASCH und Fahrstraße für ARAT läuft ein; oder: Zug auf dem Fehmarnsund stößt Zuglenkbetrieb in AGRO an, etc.) ?
Die Realität auf unzähligen Stellwerken in Deutschland sieht exakt so aus, dass der Zug den Fahrweg selbst einstellt. Damit eingeschlossen ist ein Schließen der BÜ und natürlich auf die Fahrstellung der Signale. Der Fdl muss hierbei beobachten und bei Störungen oder Abweichungen vom Regelbetrieb eingreifen.
Bei den ESTW wurde die Funktionalität der Zuglenkung nochmal erweitert um die "Gleisbenutzungstabelle" (GBT). Hier wird der exakte Fahrweg des Zuges in einer Tabelle festgeschrieben. Soll also der Zug in einem Bahnhof ein anderes Gleis befahren, muss der Fdl nicht warten, bis der Zug vor dem entsprechenden Signal ist und dann den Fahrweg einstellen. Er kann den Fahrweg in der GBT ändern, auch wenn der Zug noch 50km vom Bahnhof entfernt ist. Die GBT ist in ESTWsim (noch) nicht umgesetzt. Hier wäre es möglich, das Zuggleis in Oldenburg von 2 auf 1 zu ändern (außerpl. Zugkreuzung), wenn der Zug noch in Haffkrug ist. Er würde sich dann den Fahrweg selbst einstellen.
Die GBT besitzt noch weitere Funktionen: Hier sind auch die Zugübergänge hinterlegt, d.h. ein planmäßig in Neustadt einfahrender Zug würde sich selbst (wenn er am Endbahnhof angekommen ist) die Zugnummer ändern und auch selbst zur Abfahrtzeit (bzw. eine Minute früher) die Ausfahrzugstraße wieder einstellen. Damit entfällt auch das manuelle Eingreifen bei Fahrten in Nebengleise, da auch diese Arbeiten durch die GBT erledigt werden.
Diese Funktionen sind natürlich nicht bei allen ESTW verfügbar, sondern "nur" bei ESTW, die über das Bedienplatzsystem (BPS) 901 verfügen. Das sind alle ESTW, die von einer Betriebszentrale aus gesteuert werden. Meines Wissens nach war das ESTW Hannover Hbf (IB ca. 1997?) eines der ersten ESTW mit BPS 901. Frankfurt Fzf (IB ca. 1998/99) hat es auch schon.
Hier noch ein kurzer Text, der diese Technik beschreibt:
»Beim Bedienplatzsystem 901 sind ebenfalls die Fahrplandaten in der Anlage (GBT, Gleisbenutzungstabelle) eingearbeitet. Die GBT orientiert sich allerdings nicht an den recht unflexiblen Lenkziffern, sondern direkt an der Zugnummer. So sind hier einige weitere Lenkkriterien (Wartezeit, Rangfolge, besondere Ladung, Geschwindigkeit und Stellzeiten) abrufbar. Zudem kann der Bediener den Zuglauf im Vorfeld (bis zu 6 Stunden vorher) manuell abändern und so auch unplanmäßige Routen im Zuglenkbetrieb fahren oder Kriterien eingeben. Es ist auch möglich, die Fahrtroute vorher grafisch anzeigen zu lassen. Dieses Zuglenksystem kann auch Fahrten auf dem Gegengleis und Rangierbewegungen lenken und nahezu alle Fahrmöglichkeiten abarbeiten.«
Dieser Text stammt aus einer Publikation über ESTWs, welche anlässlich des 80jährigen Betriebsjubiläums der Berliner S-Bahn veröffentlicht wurde: http://www.s-bahn80.de/technik/estw/index.html. Diese Aussagen lassen sich auf ESTWs der "echten" Bahn übertragen, da sie die gleiche Technik nutzen.
Abschließend zur weiteren Lektüre hier zwei Links aus der Zeitschrift "Eisenbahningeneur" (zugegeben fachlich sehr komplex beschrieben), die auch beim o.a. Link genannt sind:
Ferner sei Dir zur Lektüre die Seite http://www.stellwerke.de empfohlen.